Pölse, Bolle, Fjord und Eisbär


 

 

2003 brachte mich die ColorLine in ein Land, das ich vorher nur von Bildern und aus Erzählungen kannte. Von Eisbären und Elchen, die auf der Straße herumlaufen, von ruhigen und stillen Menschen, die nur alleine sein möchten, von einem Land, wo es nur dunkel und kalt ist, wo Schnee liegt und wo alle Leute immer nur Fisch essen. Jetzt, wo ich ein Jahr in Norwegen gewohnt habe, schreibe ich meine eigene Geschichte.

 

 

Eisbären gibt es nur auf Svalbad. Dort dürfen Menschen übrigens nicht ohne Gewehr spazieren gehen, die Tiere dürfen sie aber erst erschießen, wenn sie sich auf unter 15 Meter genähert haben. Elche leben nur im Wald, gesehen habe ich vier  – allerdings auf meinem Schwedentrip im Göteborger und im Stockholmer Zoo. Mit Norwegen verbinde ich persönlich Eichhörnchen. Immer wieder krabbeln die kleinen Tiere Büsche und Bäume hoch und lassen sich viel öfter blicken als in Deutschland.

 

 

Die stillen und ruhigen Menschen gibt es nur am Tag. Wobei sich die norwegische Jugend auch entgegen der nordischen Mentalität entwickelt, jedenfalls in der Osloer Gegend. Die Ü30 Generation braucht einen Schluck Bier, danach tanzen sie gerne halbnackt auf irgendwelchen Tischen und fühlen sich plötzlich sicher, dass die ganze Kneipe auf sie steht. Die männliche Jugend ist etwa 15 Stunden am Tag auf der Jagd nach Mädchen, steht zwei Stunden vorm Spiegel, macht zwei Stunden Sport und verbringt die restlichen fünf Stunden mit schlafen. Die Oslo-Jenter lassen sich in zwei Gruppen einteilen. Die eine Hälfte erscheint in Minirock, perfekt gestylt, in der Schule. Man könnte davon ausgehen, sie kommen gerade von der Disco. Die zweite Hälfte erscheint in Jogginghose oder Schlafanzughose. So gehen sie dann auch in die Disco.

 

Kalt und dunkel war es, allerdings nur im Winter (der hat aber auch verdammt lange gedauert!). Schnee hatten wir auch genug, das lag aber eher daran, dass ich den schneereichsten Winter seit über 60 Jahren erwischt habe. Das war von Vorteil, Schnee macht hell und wenn es nur vier Stunden am Tag hell ist, freut man sich! -20 Grad habe ich bei uns in Oslo nicht erlebt! Dafür ist der Sommer hell, hell und hell. Heiß wird es nicht – oder nur selten. Ich habe aber im Mai auch 28 Grad erlebt (das war allerdings der Hitzerekord). Dafür hat man den Strand quasi vor der Haustür. Und im Oslofjord kann man auch baden. Nächtliche Touren zum Strand zum „Sternegucken“ bleiben allerdings aus. Sterne gibt es im Sommer in Norwegen nicht, dafür ist es zu hell.

 

Es wird nicht einmal halb so viel Fisch gegessen wie Pölser, das norwegisches Wort für Würstchen. Ein und dasselbe Würstchen kann man auf etwa 100 verschiedene Arten zubereiten. Kochen, grillen, braten, mit Zwiebeln, ohne Zwiebeln, mit Ketchup, mit Senf, mit Brot oder mit Lumpe (nach nichts schmeckender Pfannkuchen). Warum ich so viel über Pölser schreibe? Reist nach Norwegen und schon am Flughafen werdet ihr feststellen, warum!

 

Typisch norwegisch ist zudem Skifahren. Vor allem Langlaufen. Im Oktober schon werden die Skier herausgeholt und mit den ersten Schneeflocken wird die erste Loipe präpariert. Man findet Norweger in den folgenden sechs Monaten nur noch auf Skiern. Die Wochenenden verbringen sie mit der Familie auf ihren Hütten in den Bergen. Jede norwegische Familie hat zumindest einen in der Familie, der eine Hütte besitzt. So geht man auf lange Skitouren, gut ausgerüstet mit Pölser, Waffeln mit Brunost (brauner Ziegenkäse), Orangen und Boller (diese Hefeteilchen gibt es übrigens auch zu jeder Tages und Nachtzeit). Zu trinken gibt es warmen Saft (Sirup und Wasser). Manchmal hat es den Anschein, dass Norweger mit Skiern an den Füßen geboren wurden.

 

Wer das verrückte Norwegen kennen lernen will, muss vom 1. Mai bis zum 17. Mai nach Norwegen reisen. Dann sind die Russen los. Russ ist der Name des norwegischen Abiturs, der Abiturienten und der Abiturzeit. Alle ziehen sich rote Hosen an und tragen T-Shirts mit den Namen ihrer Russ-Gruppe. Busse wurden schon vorher gekauft und hergerichtet, mit einer Musikanlage ausgestattet und in diesem Bus wird für 17 Tage gelebt. Ernährt wird sich von Bier und Sex. Die verschiedenen Gruppen müssen Aufgaben erfüllen, um ihr Team nach vorne zu bringen. Zum Beispiel an 17 Tagen mit 17 verschiedenen Leuten ins Bett steigen. Höhepunkt der Russzeit ist der 17. Mai. Dann endet die Party mit dem Busumzug in den großen Städten des Landes.

Der 17. Mai ist auch gleichzeitig der Nationalfeiertag Norwegens. Das Auflösen der Union mit Dänemark wird gefeiert, selbst wenn danach eine Union mit Schweden folgte. Alle Menschen ziehen sich ihre Tracht an und sind ab sieben Uhr morgens auf den Straßen unterwegs, geschmückt mit Fahnen. Überall gibt es Umzüge, Spiele für Kinder und Pölser. Das Highlight im norwegischen Kalender.

 

 

Was man sonst noch über Norwegen wissen sollte? Es gibt zwei Amtssprachen und eine weitere gesprochene Sprache in Norwegen. Bokmaal ist die gesprochene Sprache, Nynorsk die „offizielle“ Sprache, die eher im Schriftlichen verwendet wird. Und im Norden des Landes wohnen Samen, eine Minderheit, deren Sprachkultur (Samisch) Aufrecht erhalten werden soll. Außerdem ist Norwegen nach Chile das zweitlängste Land der Welt. Wer hier Urlaub macht, muss viel Geld mitnehmen. Oslo wurde 2005 zur teuersten Stadt der Welt gewählt!

 

   

 

Wer Natur liebt, wird sich in Norwegen verlieben. Die Berge, die Fjorde, die Farben. Wie im Märchen. Und die Mentalität der Menschen unterstreicht das noch!

© Miriam Sarah K. (20 Jahre)

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