Gedichtinterpretation


 

Annette Droste-Hülshoff: Der Knabe im Moor

 

Aufgabe: Analysiere Aufbau, Inhalt und Form des Gedichts bzw. der Ballade!

 

Die Ballade „Der Knabe im Moor“ von Annette Droste-Hülshoff erzählt von einem Jungen, der durch ein Moor läuft, um nach Hause zu gelangen.

Dabei glaubt er immer wieder den bösen Naturdämonen zu begegnen, die der vermutlich aus Märchen und Erzählungen kennt, die man Kindern erzählt, um sie davon abzuhalten, ins Moor zu laufen, da dieses sehr gefährlich ist. Der Junge fürchtet sich, es ist ihm nicht geheuer, im Moor umherzulaufen, alles scheint ihm nur schemenhaft und bedrohlich. Das erkennt man bereits am Anfang, als die typischen Nebelschwaden, die über Mooren hängen, als Dünste beschrieben werden, die aussehen wie Phantome, also böse Geister.

 

Neben der Angst fühlt der Knabe aber auch Neugier und Spannung, er empfindet seinen Weg als Abenteuer, während dem ihm immer wieder Geheimnisse begegnen, denen er jedoch, aufgrund seiner Furcht, nicht nachgeht. Das erkennt man an dem Wort „schaurig“, das nicht nur Angst, sondern auch Neugier und geheimnisvolles Prickeln bedeutet, und am Röhricht, das im Wind knistert. Das Kind klammert sich an seinem Buch fest, um ein Gefühl der Geborgenheit zu haben, einen festen Halt, um nicht abzurutschen in seine große Angst. Er rennt, als ob es um sein Leben ginge und hat eigentlich keine Zeit, seine Umgebung deutlich wahrzunehmen, trotzdem hört er den Wind unheimlich durch ein nahes Wäldchen heulen und glaubt darin den Gräberknecht zu erkennen. Daraufhin rennt er noch schneller, achtet nicht auf den Weg und macht sich dabei so klein wie möglich, um nicht entdeckt werden zu können.
Die ganze Natur um ihn herum erscheint dem Jungen feindlich und bedrohlich, was seine innere Furcht und seine aufgewühlten Gefühle darstellt. So zum Beispiel die riesigen Grashalme, die, objektiv betrachtet, vollkommen harmlos sind, ihm aber wie bedrohliche Speere erscheinen.

In dem Geräusch, das der Wind verursacht, der durch die Halme fährt, glaubt er das Geräusch eines Spinnrads zu erkennen, das von einer weiteren Sagenfigur gedreht wird. Selbst als er durch seine Schritte das Moor dazu bringt, aufzubrechen, hört er in dem dabei entstehenden glucksenden Geräusch nicht eben dieses, sondern das Seufzen und Rufen einer verdammten Seele, die keine Ruhe findet. Der Knabe rennt vollkommen achtlos durch das gefährliche Moor, und hätte er nicht großes Glück, oder, wie hier gesagt wird, „einen Schutzengel“, so würde er wohl hoffnungslos im Moor versinken und sterben. Immer weiter rennt er, ohne Bedacht, und die Erde unter seinen Füßen bröckelt, brodelt und gluckst. Doch anstelle dessen scheint es ihm wieder, als handle es sich um einen bösen Dämon. Als der Boden endlich fester wird und der Junge an der Grenze zwischen Moor und Feld ist, wird er wieder ruhiger.

 

Er sieht eine Lampe flimmern, die mit ihrer Lichtsymbolik Wärme und Geborgenheit verkörpert. Das Kind ist zwar immer noch etwas ängstlich, doch durch die erneute Beschreibung der „schaurigen Heide“ tritt auch wieder das Gefühl des Abenteuers, der Reiz des Verbotenen auf.

In dieser Hinsicht ähnelt die letzte Strophe sehr der ersten: In beiden wird nicht nur die Angst des Jungen beschrieben, sondern auch dieses abenteuerliche Gefühl, etwas Verbotenes zu tun beziehungsweise getan zu haben, das Wissen, sich etwas zu trauen, getraut zu haben, das gefährlich ist, ähnlich der prickelnden Spannung bei einer Mutprobe. Die mittleren vier Strophen dagegen zeigen einfach nur die blinde Panik und das Gefühl der Winzigkeit und Hoffnungslosigkeit, die unmittelbar während des Erlebnisses empfunden werden und nicht davor oder danach.

 

Die Ballade teilt sich in diese sechs Strophen zu je acht Versen mit abwechselnd männlichen und weiblichen Kadenzen. Das Metrum der Verse, zumindest in der ersten Strophe, ist eine Mischung aus Jamben und Anapästen. In jeder Strophe handelt es sich um Kreuzreime, mit Ausnahme der jeweils fünften und sechsten Verse, die Paarreime bilden.

Ich denke, die Autorin will mit ihrem Gedicht zeigen, dass Schauermärchen zwar nicht immer genau die gewünschte Wirkung auf Kinder haben, ihnen aber dennoch nachdrücklich im Gedächtnis bleiben. Außerdem zeigt sie, dass es gefährlich ist, einfach panisch loszulaufen, ohne vorher alles aus einem realistischen Blickwinkel betrachtet zu haben. So kann die Fantasie einem schnell einen Streich spielen und so sehr gefährliche Auswirkungen haben.

 

 

Sandra E. (15 Jahre), Chefredaktion  

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